Leider kein Scherz:
Ich fahre in Urlaub, drehe ein kleines Filmchen über meine Erlebnisse und möchte meine Freunde daran im Internet teilhaben lassen – vorher habe ich aber bitte schön eine Senderlizenz zu beantragen, deren Genehmigung vermutlich Monate braucht. Bizarre Vorstellung? Nein, der Wunschtraum der Landesmedienanstalt NRW - und hoffentlich eine der letzten Zuckungen einer überkommenen Institution. Und einem Interview mit der „Taz“ begründet Norbert Schneider, Chef der Landesmedienanstalt der NRW solch eine Lizenzierung für jeden, der Videos im Internet veröffentlichen möchte auch noch damit, dies sei keine Beschränkung, sondern Schutz. Diese Argumentationslinie kennt man sonst nur aus Ländern wie China oder dem Iran. Solch irrwitzige Vorschläge passen ins Bild, das Deutschland im Jahr 2007 bietet: In keinem Land mit demokratischer Grundordnung wird so negativ und hämisch über das Internet berichtet, in keinem Land der westlichen Welt sind die Entscheider in Politik, Verwaltung und Wirtschaft im Bereich Web so inkompetent wie hier zu Lande. Ohne sich mit dem Thema zu beschäftigen werten sie das Internet wahlweise ab als Hort des Drecks, des Kindermissbrauchs oder der Dummheit – oft genug auch alles zusammen. Dabei braucht dieses politikverdrossene Land nichts dringender als Menschen, die bereit sind zu Diskurs und Kreativität.
Thomas Knüwer über die Idee, Videoveröffentlichungen im Internet vorab lizensieren lassen zu müssen.
Wenn man manche Leute reden hört (oder liest) muss man mit dem Kopf schütteln und sich beim Kalender versichern, dass es wirklich das Jahr 2007 ist. Die Erkenntnis, dass solch antiquierte Vorstellungen an den Spitzen einflussreicher Gremien vorherrschen, ist einigermaßen schauderhaft.
Leider befindet sich Norbert Schneider aber in bester Gesellschaft: Inmitten von Politikern, die sich unsicher sind, was eigentlich ein Browser ist, oder ihre eigene Homepage sowieso eigentlich noch nie besucht haben:
Link: sevenload.com
Andererseits muss sich der Innenminister ja auch nicht im Internet auskennen, um es mal kurz überwachen zu lassen.
(Bild "one less television" Creative Commons-lizensiert von Kevin Steele auf flickr)