ICEIn Ausgabe 4/2009 der Deutsche-Bahn-Zeitschrift "mobil" findet sich ein Interview mit dem Late-night-Entertainer Harald Schmidt, geführt im ICE von Stuttgart nach Köln. Das ganze Interview ist sehr kurzweilig und damit allemal lesenswert. Schmidt ist offenbar bekennender Bahnfahrer und stellt süffisant fest, während er mit seiner schwarzen BahnCard 100 (1. Klasse) wedelt: "Vor meiner "Black Mamba" geht jeder Schaffner auf die Knie".

Gleichzeitig stellt er fest, dass er das "ewige Lamento von "Amateurreisenden" nicht mehr hören" könne, ein "tausendprozentiges Bekenntnis zur Bahn" abgeben wolle. "Aber beim Thema Bahn ist es ja wie im Fußball, jeder ist Nationaltrainer. Viele wollen auch nur ihre Vorurteile bestätigt sehen..."

Nun muss man Aussagen von Herrn Schmidt ja stets mit Vorsicht genießen. Es liegt also kaum fern, dass Schmidt seine bahnfahrenden Mitmenschen mit einem Augenzwinkern kritisiert, nur um ihre Reaktionen zu beobachten, ganz so wie er es jeden Abend im Fernsehen macht. Zugleich ist sein Bekenntnis zur Bahn im Zusammenhang mit einem Interview für eine Bahn-Zeitschrift auch nur eingeschränkt überraschend.

Andererseits entbehrt es sicher nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet jemand mit einer 1.-Klasse-BahnCard 100 (die übrigens mit lockeren 6150 Euro zu Buche schlägt) von den "Holzklassefahrern" verlangt, sie mögen doch bitte das Beschweren sein lassen. Das fühlt sich ein wenig so an, wie wenn ein First-Class-Flieger sein Unverständnis darüber äußert, dass Leute bei langen Flugreisen immer über die mangelnde Beinfreiheit klagen. Oder, als ob "Autokanzler" Schröder aus seinem Dienst-VW Phaeton ausgestiegen wäre, und kopfschüttelnd erklärt hätte, er könne es gar nicht verstehen, warum Leute sich über die Macken ihres 1990er Fiat Pandas mokierten. Er habe habe mit dem Autofahren überhaupt keine Probleme, finde es sogar "entspannend".

Zweifellos gibt es einige Leute, die sich über die Bahn hauptsächlich deshalb aufregen, weil ihnen das Aufregen an sich so viel Freude bereitet. Dass ihnen die Bahn und viele ihrer Mitarbeiter dazu allerdings besonders viele Steilvorlagen geben -- mit regelmäßigen Verspätungen, der Freundlichkeit eines Peruanischen Lamas und einer Flexibilität, die sonst nur vom Vatikan in Verhütungsfragen unterboten wird -- das ist auch nicht von der Hand zu weisen. Während man in der ersten Klasse im ICE persönlich gehätschelt wird, bekommt man davon natürlich nicht so viel mit.

Freilich, er wäre nicht Harald Schmidt, wüsste er nicht zu polarisieren, anzusticheln und subtil durch den sprichwörtlichen Kakao zu ziehen. Und so habe ich ihm mit diesem Blog-Eintrag vielleicht schon wieder einen kleinen Gefallen getan.

Ab 6. April ist das Interview übrigens auch als Video auf der "Bahn TV" Webseite verfügbar. Und für Berufsbahnfahrer und Leute, vor denen kein Schaffner "auf die Knie" geht, gibt es seit kurzem die Twitter-basierte Mitmach-Webseite "Der helle Bahnsinn".

(Foto: CC by-sa lizensiert auf Wikipedia)

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Family PortraitDie "Fragen und Antworten" zum "IsarCard" Abonnement der Münchner Verkehrsbetriebe haben einen interessanten Passus:

4) Kann ich jemanden mitnehmen? Mit der IsarCard und der IsarCard9Uhr im Abo dürfen Kinder von 6 bis 14 Jahren montags bis freitags an Werktagen ab 9 Uhr, sonst rund um die Uhr kostenlos mitfahren. Nachweislich eigene Kinder und Enkelkinder in beliebiger Anzahl, ansonsten maximal drei.

Da fragt man sich natürlich, wie weise ich nach, dass meine Kinder meine Kinder sind? Reicht es, wenn sie mich Papa nennen? Oder doch besser ein Vaterschaftstest im U-Bahn-Wagen, nur um sicher zu gehen?

Das ist doch schon reichlich seltsam, zumal Kinder in der Regel keinen Ausweis haben, geschweige denn ihn mit sich herumtragen. Und eine Geburtsurkunde hätte ich als Vater dann nun auch nicht unbedingt ständig zur Hand. Auch auf das Übereinstimmen des Nachnamens kann man sich in unserer "modernen Gesellschaft" wahrlich nicht verlassen -- und überhaupt, macht "Müller" oder "Schmidt" ein Kind zum "nachweislich" eigenen eines Herrn Müller oder Schmidt? Eher nicht.

Es ist erschreckend, wie gerne Unternehmen mit Worthülsen um sich werfen, die sie hoffen, nach Gutdünken ausfüllen zu können (in diesem Fall offenbar mit dem Ziel, vermeintlichen Schwarzfahrern die Last aufzuerlegen, die Verwandschaft mit den mitfahrenden Kindern zweifelsfrei "nachzuweisen"). Streuen von FUD kennt man aus anderen AGB zu genüge -- und es scheint, der öffentliche Nahverkehr bildet dort keine Ausnahme.

Oh, wie ich mich freue, bald wieder in Deutschland Bus und Bahn zu fahren ;)

(Familienfoto CC by-nc-nd lizensiert von dhammza auf flickr).

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