Unter dem Titel "Aufruhr im Bloggerland" stolperte ich bei Rouven über die Reaktion der deutschen "Blogosphäre" auf einen umstrittenen Artikel bei Spiegel Online namens "Die Beta-Blogger".

Von einer Reaktion wie Rumpelstielzchen will ich einmal absehen, nicht nur weil mir das viele andere bereits abgenommen haben, sondern vor allem, weil ich weniger verärgert als amüsiert bin.

[caption id="attachment1356" align="alignnone" width="500" caption="Cloud Gate to Millenium Park, by Miles78 on flickr"]Cloud Gate to Millenium Park, by Miles_78 on flickr[/caption]

Ausgerechnet Spiegel Online, der, was die sprachliche wie inhaltliche Qualität betrifft, neben seinem namengebenden Mutterblatt immer ein bisschen blass aussieht, beklagt sich über den mangelhaften politischen Einfluss der deutschen Bloggerszene, sie seien "selbstbezogen und unprofessionell"? <!--more--> Teilweise mögen sie ja mit ihrer Kritik recht haben. Viele Blogger schaffen es mit Berichten, gegen die das Sandmännchen ein Psychothriller ist, nicht einmal ihre engsten Freunde zu unterhalten -- geschweige denn irgendwelche Stürme zu entfachen, und sei es nur im Wasserglas. Doch was die "SpOn"-Autoren verfehlen, ist, dass die allermeisten Blogger den Anspruch, den Tageszeitungen den Rang abzulaufen, gar nicht erst erheben: Sie schreiben für eine mal kleine, mal große Fangemeinde, die ihre Themen oder ihren Stil schätzen, und haben nicht vor, Otto Normalverbrauchers tägliche Lektüre der FAZ zu ersetzen.

Das mag anders sein als bei Bloggern in den USA, wie der Artikel in epischer Breite widergibt; das aber scheint mir, anders als Spiegel Online, kein Grund zur Beunruhigung: Meiner Erfahrung nach zeichnen sich "gute" deutsche Blogger vor allem dadurch aus, dass sie in ihrer jeweiligen Nische hilfreiche Informationen und interessante Beiträge liefern, und nicht durch das Aufdecken von Skandalen. Ein Umstand, der wohl darin begründet liegt, dass wir in Deutschland allgemein recht gut recherchierende Nachrichtenmagazine (ob auf dem Schirm oder auf Papier) haben -- etwas, das man in den kommerziellen Medien der USA nur sehr eingeschränkt findet. Dass etwa Rupert Murdochs Fox News das erweiterte Sprachrohr des amtierenden Präsidenten und seiner Freunde ist, ist selbst Spiegel Online nicht verborgen geblieben.

Den Kern des Artikels bildet aber letztlich nicht der Versuch, den deutschen Bloggern ihre Relevanz absprechen zu wollen (eine Aussage, die die werten Mitblogger nicht beleidigen sollte, unabhängig davon, ob sie zu den Alpha-, Beta-, oder gar "Omega-Bloggern" zählen). Nein, aus ihm spricht die Angst, selbst Teil dieser scheinbar irrelevanten Bloggergruppe zu sein.

Denn als Online-Medium, das bestenfalls im Schatten der Printausgabe, oft aber schlicht in der journalistischen Dunkelheit zu wandeln scheint, befindet sich Spiegel Online offenbar in einer mittelschweren Identitätskrise: Kein Blogger sein wollend, bei den "großen" aber auch nicht mitspielen dürfend, fürchtet man dort, von der goldenen Mitte in die gar nicht mehr glänzende Mittelmäßigkeit abzurutschen, schlimmer noch: dies bereits getan zu haben.

Eine Vermutung, die die Autoren auch dadurch nicht widerlegen können, dass sie den Lesern das Gegenteil gleich mehrfach einzubleuen versuchen ("Wenn das hier ein Blog wäre und kein Magazinartikel...", "Ach, wenn das hier ein Blog wäre..."). Auch an anderer (zugegeben, renommierterer) Stelle teilt man meine Ansicht: Der Handelsblatt-Blogger Thomas Knüwer kommt zu einer ganz ähnlichen Erkenntnis, wenn er vom erschreckenden Misserfolg von Spiegel Online schreibt.

In diesem Licht sieht der Artikel schon gar nicht mehr so aus wie eine große Neuigkeit, oder gar eine ernstgemeinte Kritik an der Bloggerei in Deutschland, sondern viel mehr wie der verzweifelte Versuch, doch endlich selbst wieder im schmerzlich vermissten Rampenlicht zu stehen. Hollywood ist eben nicht die einzige Bühne, auf der gilt: "All press is good press".

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