Am Wochenende habe ich im Kino Children of Men gesehen. Eine düstere Zukunftsvision:
Im Jahr 2027, in einer chaotischen Welt, in der sich die Menschen nicht mehr fortpflanzen können, hilft ein ehemaliger Aktivist einer -- wie durch ein Wunder schwangeren -- Frau dabei, Asyl beim "Humane Project" auf See zu bekommen, wo die Geburt ihres Kindes die Zukunft der Menschheit retten könnte.
Meine Erwartungen an diesen Film waren eher gering: Denn wie bei allen Zukunftsvisionen ist es nicht unmöglich, fast sogar wahrscheinlich, dass so ein Film zu einer magisch absurden Inszenierung verkommt, der den Betrachter im günstigsten Fall zu einem müden Lächeln animiert, im schlimmsten Falle aber zu Tode langweilt.
Doch Children of Men ist anders: Packend, spannend, schnell, bisweilen erschreckend real und zu großen Teilen sehr überzeugend. Was genau ich weniger überzeugend fand, schreibe ich kurz nach dem Sprung, denn ich will ja niemandem den Spaß verderben.
Interessant auch die Referenz an den berüchtigten "hooded man" von Abu Ghraib (via digg), wovon wir in den letzten Tagen bereits etwas gesehen haben (links im Käfig):
Auf IMDB bekam der Film von mir solide 9 / 10 Punkten und ich empfehle wirklich, diesen Film zu schauen. Sonst verpasst ihr was. (Andere sind übrigens ähnlicher Meinung, denn der Film ist im Moment auf Nummer 171 der 250 besten Filme aller Zeiten. Respekt.)
Achtung: Es folgen Spoiler! <!--more-->
Eine der klaren Stärken dieses Films, in meinen Augen, ist, wie die Macher es schaffen, den Zuschauer persönlich zu berühren. Die unerwartete Bombenexplosion im Kaffeeladen am Anfang bringt (besonders im Kino, wo das richtig laut ist) eine Spannung, die bis zum Ende nicht abreißt. Viele scheinbar "normale" Dinge erscheinen dem Zuschauer grotesk, so etwa wie Werbung für Selbstmord-Sets mit dem Slogan "Sie entscheiden, wann es soweit ist", und wie es zugleich (noch immer) illegal ist, Gras zu rauchen.
Den ganzen Film über scheinen die Geschehnisse sonderbar sinnlos, gleichwohl tragisch vorherbestimmt, und jedesmal, wenn ein weiterer Charakter stirbt, bleibt die einzig brennende Frage dem Betrachter unbeantwortet: Warum?
Eine ganz brilliante schauspielerische Leistung legt übrigens Michael Caine (als Jesper Palmer) hin. Sein beachtlicher Galgenhumor ("tell him, he's a fascist pig!" oder "pull my finger!"), und auch die bedingungslose Liebe gegenüber seiner Frau, sind erstaunlich überzeugend gespielt. Jesper, der alte Hippie, war mir zudem (oder gerade wegen der Leistung Caines) der sympathischste Charakter im ganzen Film.
Etwas ernüchternd hingegen fand ich das Ende des Films, das -- obwohl das Erscheinen des Schiffes Hoffnung gibt -- den Zuschauer mit hunderten unbeantworteten Fragen alleine lässt, insbesondere darüber, wer überhaupt Teil dieses Projektes ist, wo sie sich befinden, woher sie ihre Ressourcen bekommen, wie groß die Gruppe ist, etc. Diese Fragen sind so brennend, das ich im Kino sogar hören konnte: "Das riecht verdammt nach einem zweiten Teil!". Children of Men entlässt den Zuschauer nicht sanft wieder in seine eigene Wirklichkeit, sondern es lässt ihn fallen. Das gefiel mir nicht, ist aber wohl so gewollt.
Zuletzt stieß mir auch eine Szene gegen Ende des Films negativ auf, als Theo Kee fragt, "How's she?" ("Wie gehts ihr (dem Baby)?") und die Mutter antwortet: "Annoying!" ("Sie nervt!") -- das alles, während ein paar Meter entfernt Kugeln und Granaten in das Gebäude einschlagen. Das ist, im Gegensatz zu eigentlich dem ganzen Rest des Films, eine Stelle wo ich dachte, wenn die Granaten echt wären, würde eine Mutter so etwas sagen? Hätte sie überhaupt Zeit dazu "genervt" zu sein? Ich denke nicht. Und ganz anders als es offenbar beabsichtigt war, verleitet die Szene weniger zum kurzen Lächeln als vielmehr zur Erkenntnis, dass die ganze Geschichte ja doch nur ein frei erfundenes Hirngespinst ist, und dass da nicht wirklich geschossen wird. Das ist schade, wo es doch so wichtig war, das Gefühl von Realismus aufkommen zu lassen. Und nur weil der Film zuvor so überzeugend war, schafft es diese Szene nicht, den Eindruck nachhaltig zu stören. Ein Dorn im Auge bleibt sie dennoch.