"Greift Springer nach ProSiebenSat1?" fragt heute die tagesschau Online-Ausgabe.
Gott bewahre!
Nicht nur, dass wir in Zukunft auf Erfolgssendungen wie Spiegel TV oder NZZ Format verzichten müssten, um stattdessen mit dem Boulevard-Magazin Bild-TV, den Bild News und anderen Grimmepreiskandidaten vorlieb zu nehmen.
Viel schlimmer noch: Die Senderklientel käme doch völlig durcheinander. Ich meine, der typische Fernsehkanal für Bild-Leser ist doch Titten-TV RTL. Wenn die tägliche Informationsspritze durch das Magazin für fundierten Journalismus spätnachmittags langsam abflaut, kommen Wissenschaftsmagazine wie Brustvergrößerung live oder Geschichtsreportagen à la Traumhochzeit reloaded doch gerade recht, um das geistige Loch bis zu den Daily Soaps zu überbrücken.
Nippel im Vorabendprogramm ist eben klassische RTL-Domäne - da wissen wir wenigstens woran wir sind ;)
Weniger lustig wäre es hingegen, wenn sich Springer in die mehr oder minder ernst gemeinten journalistischen Bereiche von ProSiebenSat1 vorkämpfen würde (etwa: N24). Wir müssten wohl um die Wertfreiheit der dortigen Nachrichten fürchten: Die konservative Springer-Linie dürfte fortan aus jeder Meldung herauszuhören sein. Stimmt: Das ist ja nun mal das gute Recht jeder Redaktion - wäre das nicht so, wären die FAZ oder auf der anderen Seite die FR nicht so renommiert.
Der Unterschied liegt einzig darin, dass der große Verlag es schon bei seiner größten Tageszeitung ausgezeichnet versteht, subtile politische Ressentiments unter einem populistischen Deckmäntelchen zu schüren. Wann immer es erforderlich scheint, wird die große Marktmacht genutzt, um die gesellschaftliche Situation zuzuspitzen, die Menschen zu polarisieren und die öffentliche Diskussion zu polemisieren. Gepaart mit der enormen Suggestivkraft von (Fernseh-)Bildern halte ich diesen Vorstoß in die TV-Landschaft dann doch für ziemlich bedenklich. (Für (noch) mehr kritische Worte empfehle ich die Lektüre des BildBlog.)
Möge dieser Kelch an uns vorübergehen...